Gerhard Mehrke
Neu-Ulm
Allgemeine Virologie
Viren sind infektiöse Partikel und potenzielle Krankheitserreger, deren Vermehrungszyklus nur in einer Wirtszelle ablaufen kann. Sie sind sozusagen intrazelluläre Parasiten. Über spezielle Erkennungsmechanismen dringen sie in die Zielzelle ein und veranlassen die Zelle neue Viruspartikel zu synthetisieren. Diese verlassen die Zelle, wobei diese dabei meist zerstört wird, und befallen neue Zellen, wo der Reproduktionsmechanismus von neuem beginnt. In manchen Fällen verläuft eine Infektion mit Viren asymptomatisch, wobei es zu lebenslang persistierenden Infektion kommen kann (z.B. bei Herpesviridae). Da Viren keinen eigenen Stoffwechsel haben, ist ihre Bekämpfung schwierig, Antibiotika, die gute Effekte bei bakteriellen Infektionen zeigen, wirken hier gar nicht.
Da viele infizierte Patienten das Virus schon weitergeben können, bevor sie Symptome zeigen, ist eine hohe Durchseuchung möglich und eine Eindämmung aufgrund fehlender Therapien schwierig. Ein gutes Beispiel ist das HI-Virus, an dem weltweit ca. 34 Millionen Menschen erkrankt sind und bei dem die Bekämpfung der Übertragung durch Aufklärung und entsprechender Prophylaxe den größten Stellenwert hat.
Viren werden nach der Form ihrer Erbsubstanz in verschieden Gruppen eingeteilt:
Die Erbsubstanz ist von einem Kapsid, einem Proteinmantel, um das Genom geschützt. Eine Gruppe von Viren besitzt zusätzlich eine Hülle. Diese rührt in der Regel von Bestandteilen der Zellmembran der Wirtszelle her. Auf der Oberfläche befinden sich mehr oder weniger stark ausgeprägte Spikes. Dies sind virale Rezeptorproteine für die Adhäsion (Anheftung) an der Wirtszelle.
Haben die Viroide mit Hilfe dieser Adhäsionsmoleküle an der passenden Wirtszelle angedockt, so veranlassen sie die Aufnahme des Inhaltes des Kapsids, der Erbsubstanz und eventueller Hilfsproteine. Solche Hilfsproteine können z.B. bei RNA-Viren Enzyme sein (inverse Replikase), die die Virus-RNA in DNA umschreiben (Retroviren). Somit liegt dann die Viruserbsubstanz in der gleichen Form vor, wie die zelleigene.
Das Eindringen (Penetration) in die Wirtszelle wird bei unbehüllten Viren dadurch bewerkstelligt, dass bei der potenziellen Wirtszelle die Endozytose oder ein Transmembrantransport induziert wird. Behüllte Viren können auch durch Verschmelzen der Virushülle mit der Zellhülle der Wirtszelle aufgenommen werden.
Der Metabolismus der Zelle wird genutzt, um das Virusgenom zu
vermehren (Replikation) und virusspezifische Proteine zu
synthetisieren.
Nach Beendigung des Replikationszyklus werden die einzelnen
Bestandteile zusammengefügt. Die neuen Viruspartikel verlassen die
Zelle, bei behüllten Viren unter Mitnahme von Hüllmaterial aus der
Phospholipidmembran der Wirtszelle.
Bekämpfung von viralen Infektionen
Virostatika sind gegen Viren gerichtete Medikamente, die ihre Wirkung an verschiedenen Punkten des viralen Vermehrungszyklus entfalten. Durch die enge Verknüpfung der Viren mit ihrer Wirtszelle ist eine Selektivität der Medikamente nicht immer möglich, sodass es zu ausgeprägten Nebenwirkungen für den Menschen kommen kann.
Ansatzpunkte für die Bekämpfung von viralen Infektionen
Andere Therapien haben als Ziel die Stärkung, Aktivierung der körpereigenen Immunabwehr, z.B. mit Hilfe von Interferonen.
Letztlich kann nur das körpereigene spezifische Immunsystem durch Bildung virusspezifischer Antikörper die Viruspartikel zerstören und einen Neubefall von Wirtszellen verhindern. Solche Antikörper sind auch nach durchlittener Erkrankung vorhanden und bieten dann einen Schutz vor Neuinfektionen. Diesen Effekt nutzen Impfungen aus, die mit inaktivem, nicht infektiösem Virusmaterial die Bildung der Antikörper auslösen.
Desinfektion
Neben Impfungen ist die beste Methode zur Bekämpfung viraler Infektionen die Vermeidung einer Infektion. Eine Komponente hierbei ist die Desinfektion potenziell kontaminierter Gegenstände. Hierbei ist es wichtig, auch das geeignete Desinfektionsmittel zu verwenden, denn nicht alle Mittel sind gleichermaßen gegen alle Krankheitserreger wirksam.
Bei behüllten Viren, die Hülle besteht ja großenteils aus sogenannten Phospholipiden, also fettartigen Substanzen, entfalten fettlösende Wirkstoffe gute Wirksamkeit. Dies sind im einfachsten Falle Seifen oder alkoholhaltige Flüssigkeiten. Alkohol-Wasser-Gemische zur hygienischen Händedesinfektion auf Basis von 70% v/v 2-Propanol oder 80% v/v Ethanol sind bei einer Einwirkzeit von 30 Sekunden und einem Volumen von 3 ml bei Händedesinfektion ausreichend wirksam gegen Bakterien und Coronaviren, so teilt der Verbund für Angewandte Hygiene mit. Eine Anleitung zur Herstellung von Desinfektionslösung nach WHO finden Sie hier.
Das erste Mittel der Wahl ist ein ausgiebiges Waschen der Hände mit Seife.
Anleitung für gründliches Händewaschen in fünf Schritten:
Gründliches Händewaschen dauert wenigstens 20 bis 30 Sekunden. Diese Zeit sollten Sie sich zu Ihrem eigenen und dem Schutze anderer nehmen.
Die Gruppe der Coronaviren
Coronaviren im Elektronenmikroskop. Bildquelle: Wikipedia
Der Name „Coronaviren“ – von lateinisch corona ‚Kranz, Krone‘ –
leitet sich vom Aussehen dieser Viren unter dem Elektronenmikroskop
ab. Die Fortsätze (Spikes) auf ihren kugelförmigen Hüllen
erinnern an eine Krone.
Die Coronaviren sind eine Virusfamilie, die man in die Ordnung
Nidovirales einordnet. Ihre Vertreter verursachen bei verschiedenen
Wirbeltieren wie Säugetieren, Vögeln und Fischen sehr
unterschiedliche Erkrankungen. Coronaviren sind genetisch
hochvariabel; dies ermöglicht es einzelnen Arten aus der Familie der Coronaviridae
durch Überwindung der Artenbarriere auch mehrere Arten von
Wirten zu infizieren. Durch den Übergang von Tieren sind beim Menschen
unter anderem Infektionen mit dem SARS-Coronavirus (SARS-CoV, jetzt
auch als SARS-CoV-1 bezeichnet) – dem Erreger der SARS-Pandemie
2002/2003 – sowie mit dem 2012 erstmals aufgetretenen Middle East
respiratory syndrome coronavirus (MERS-CoV) entstanden. Aktuell hat
sich der Erreger SARS-CoV-2 pandemisch ausgebreitet (weltweite
COVID-19-Epidemie[1]).
Es sind diverse Arten von Coronaviridae als Erreger von leichten respiratorischen Infektionen (Erkältungskrankheiten) bis hin zum schweren akuten Atemwegssyndrom von Bedeutung. Eine ursächliche Beteiligung an Gastroenteritiden (Magendarmerkrankungen) ist möglich, spielt jedoch aktuell klinisch keine große Rolle. Insgesamt sind sieben humanpathogene Coronaviren bekannt (Stand Februar 2020).
Ein Virusisolat von SARS-CoV-2 eines der ersten Patienten zeigt phylogenetisch größte Ähnlichkeit mit dem einer Fledermausart (Java-Hufeisennase, Rhinolophus affinis). Die Genomsequenzen stimmen zu 96,2 % überein. Es spricht also dafür, dass das Virus von dieser Fledermausart übertragen wurde.
Coronaviren haben ein einzelsträngiges RNA-Genom mit positiver Polarität. Deren Gene können somit direkt translatiert (in Proteine umgesetzt) werden.
Der Replikationszyklus der Corona-Viren
Viruspartikel (gelb), die aus einer Zelle austreten. Kolorierte EM-Aufnahme des National Institute of Allergy and Infectious Diseases. Bildquelle: Wikipedia
Virentests
RT-PCR
Die verbreitetste Nachweismethode ist die real-time quantitative
Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (abgekürzt als
qRT-PCR oder RT-qPCR).
Dabei reagiert der Test auf das Vorhandensein zweier bestimmter
kurzer Gensequenzen (Nukleotidsequenzen), die kennzeichnend für die
gesuchten Viren sind.
Antikörpertests
Ein Antikörpertest ist beispielsweise ein Immuntest wie ELISA oder
ein „Lateral Flow Test“, mit dem Antikörper aus Patientenproben
(Blutserum) durch Antigen-Antikörper-Reaktionen nachgewiesen werden.
Der Lateral Flow Test kann als Schnelltest eingesetzt werden, im
Sinne von Point-of-Care-Testing (patientennahe Labordiagnostik).
Je nachdem, auf welche Antikörper geprüft wird, ist noch eine
aktuelle Infektion nachweisbar (frühe Antikörper Immunglobulin M
(IgM)) oder eine bereits abgeschlossene Infektion durch späte
Antikörper Immunglobulin G (IgG).
Infektionsraten – exponentielles Wachstum
Wie die Legende erzählt, erbat sich der Erfinder des Schachspiels vom Herrscher, dem das Spiel außerordentlich gefallen hatte, als Belohnung Reiskörner: Auf das erste Feld eines Schachbretts wollte er ein Korn, auf das zweite Feld das Doppelte, also zwei, auf das dritte wiederum die doppelte Menge, also vier und so weiter. Der König lachte und bedachte aber nicht, dass letztendlich aller Reis in seinem Reiche nicht ausgereicht hätte, um diesen Lohn auszubezahlen. Es wären nämlich ≈ 18,45 Trillionen Reiskörner geworden.
Die Gleiche Systematik liegt auch der Vermehrung von
Mikroorganismen, wie Bakterien, zugrunde. Unter guten Bedingungen
verdoppeln sie sich in einer kurzen Zeiteinheit. Das ist am Anfang
noch überschaubar, nach wenigen Zyklen aber steigt die Anzahl
dramatisch an. Man spricht von einem exponentiellen Wachstum. In
gleicher Weise gilt dies auch für Infektionsraten bei ansteckenden
Erkrankungen. Ungebremst ergibt sich nach kurzer Zeit eine enorm
hohe Zahl von Infizierten. Bei schweren behandlungsbedürftigen
Fällen heißt das, wie gut das Gesundheitssystem auch ist, die
Kapazitäten für Behandlungen, an freien Betten etc., werden
irgendwann nicht mehr ausreichen.
Alle momentan ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19
Pandemie zielen daher darauf ab, die Infektionsrate zu reduzieren
und damit die Anzahl an gleichzeitig Erkrankten unterhalb der
Kapazitätsgrenze zu halten. Solange es keine effektive Behandlung
oder eine infektionsvorbeugende Impfung gibt, ist dies die einzige
Möglichkeit, eine hohe Infektions- und Sterberate zu verhindern.
[1] corona virus disease 2019