Gerhard Mehrke
Neu-Ulm
Hyperurikämie führt zu Gicht
Wenn die Harnsäurewerte im Plasma bestimmte Werte (6,5 mg/dl
Blut) überschreiten, spricht man von Hyperurikämie. Bis zu diesem
Wert ist Harnsäure bei einem physiologischen Harn-pH von etwa 7,4
theoretisch löslich.
Einen eigentlichen Grenzwert, ab dem Harnsäurekristalle wegen der zu
hohen Konzentration und ihrer verminderten Löslichkeit in
verschiedenen Geweben ausfallen, gibt es jedoch nicht. Dies kann bei
jedem Menschen und abhängig von vielen Faktoren unterschiedlich
sein.
Bleibt die Hyperurikämie unbehandelt, durchläuft der Patient meist
vier klinische Krankheitsphasen. Auffällige Symptome gibt es ab
Stufe 2.
Die erste, »asymptomatische Hyperurikämie« verläuft klinisch unauffällig. Die Niere ist noch nicht betroffen und die noch schmerzfreien "Tophi" (Knötchen) sind nicht sichtbar. Viele Patienten mit Hyperurikämie bleiben über einen langen Zeitraum völlig beschwerdefrei. Ihre erhöhten Harnsäurewerte fallen allenfalls bei Routinekontrollen auf.
Die zweite Krankheitsphase beginnt mit dem ersten Gichtanfall.
Natrium-Urat Kristalle haben sich in Geweben gebildet. Der Grund
ist, dass Urat aufgrund des pH-Werts im Gewebe in 100-fach höherer
Konzentration als Harnsäure vorliegt und als Erstes die Grenze
seiner Löslichkeit erreicht. Die Uratkristalle werden von
polymorphkernigen Leukozyten mittels Phagozytose aufgenommen. Die
Zellen zerfallen und setzen unter anderem lysosomale Enzyme
frei, die zu Entzündungsreaktionen führen. In Folge
sinkt der pH-Wert und damit wird das Gleichgewicht zur Seite der
Harnsäure verschoben, woraufhin diese weiter ausfällt. Diese
Reaktionen lösen den Gichtanfall aus.
Nahezu die Hälfte der ersten Attacken betrifft das
Großzehengrundgelenk (Podagra), die andere Hälfte verteilt sich auf
verschiedene andere Gelenke oder Weichteile. Die Schmerzen können an
den Händen oder dem Rücken auftreten, sodass man häufig gar nicht an
einen Gichtanfall denkt. Warum die meisten Auskristallisationen am
großen Zeh lokalisiert sind, ist bis heute nicht geklärt.
Unbehandelt geht die Krankheit in die chronisch-tophösen Phasen über. Die sich entwickelnden Tophi, bevorzugt an Fingern und Füßen, sind sehr schmerzhaft und die Deformationen behindern die Beweglichkeit massiv.
Über eine vernünftige Ernährung kann der Harnsäurewert im Blut um maximal 20% verringert werden. Das kann aber schon reichen, um keine Medikamente nehmen zu müssen.
Zunächst sollte das Körpergewicht auf einen BMI unter 25 kg/m²
reduziert werden. Dies sollte aber nicht durch radikale Fastenkuren
geschehen, denn durch den verstärkten Fettstoffwechsel kann ein
Gichtanfall ausgelöst werden.
Generell wichtig ist es, die Purinzufuhr einzuschränken.
Daher sollte der Fleisch-, Wurst- und Geflügelkonsum eingeschränkt
werden. Insgesamt nicht mehr als 100 g pro Tag! Rotes und helles
Fleisch unterscheiden sich nicht in ihrem Puringehalt.
Wahre Purinbomben sind Innereien, Geflügelhaut, vegetabile
Hefepasten, Fleischextrakte, Hering, Ölsardine, Sardellen, Forelle,
Hummer, Schwarzwurzeln, Pilze und Rosenkohl.
Nicht förderlich ist Alkohol, vor allem Bier. Guanosin ist das
Hauptpurin im Bier und wird zu Harnsäure verstoffwechselt. Dieser
Effekt ist größer als bei allen anderen über die Nahrung zugeführten
Purinen.
Besonders fettreiche Nahrung hemmt die Harnsäureausscheidung über die Nieren (d.h. die Zwischenprodukte beim Fettstoffwechsel, z.B. Ketonkörper). Die Herkunft der Fette, tierisch oder pflanzlich ist in diesem Zusammenhang unerheblich. In gleicher Weise wirkt Alkohol.
Auch eine erhöhte Zufuhr von Fructose führt zum Anstieg der Harnsäure.
Geeignete Lebensmittel bei zu hohen Harnsäurespiegeln sind:
Milch, Eier, Fenchel, Möhren, Paprika, Rote Bete, Zucchini,
Tomaten, Salate, Kartoffeln, Teigwaren, Mehl und Brot.
Auch Tee, Kakao, Kaffee und Schokolade können entgegen früheren
Ansichten problemlos konsumiert werden, denn die hier enthaltenen
Xanthine werden anders verstoffwechselt.
Was kann man daraus schließen? Betrachten wir einmal das Lebensmittel Rote Beete: Im Kapitel Nierensteine wurde davor gewarnt, da Rote Beete einen hohen Gehalt an Oxalsäure aufweisen. Hier wird es als positiv gewertet, da es purinarm ist.
Nicht das Lebensmittel an sich ist "gesund" oder "ungesund", sondern die Menge und die Kombination mit anderen Lebensmitteln entscheiidet, ob man sich "gesund" oder "ungesund" ernährt.